Ein Gaesdoncker mit Haltung
Nachruf auf Erzbischof Dr. Werner Thissen
Bild: Kathrin Erbe, Erzbistum Hamburg
Am 15. April 2025 verstarb im Alter von 86 Jahren Dr. Werner Thissen, emeritierter Erzbischof von Hamburg. Mit ihm verliert das Collegium Augustinianum Gaesdonck einen ehemaligen Schüler, der seiner alten Schule Zeit seines Lebens eng verbunden blieb.
Geboren am 3. Dezember 1938 in Kleve, begann Ostern 1950 seine Zeit als Sextaner auf der Kendelinsel. Die Jahre an der Gaesdonck prägten ihn tief – menschlich, geistlich und intellektuell. Bereits während seiner Schulzeit engagierte sich Thissen als Stufensprecher in besonderer Weise für unser Haus. Auch nach seinem Abitur 1959 war zunächst er es, der lange Jahre hindurch die Stufentreffen organisierte. Der Schulzeit auf der Gaesdonck und den geknüpften Kontakten verbunden, traute Thissen einige seiner Mitschüler und taufte deren Kinder.
Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Münster und München wurde Thissen 1966 zum Priester geweiht. Er promovierte 1974 über das Markus-Evangelium und war ab 1977 in der Verwaltung des Bistums Münster tätig, von 1986 bis 1999 als Generalvikar. 1999 wurde er zum Weihbischof geweiht und 2002 von Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof von Hamburg ernannt.
Zeit seines Lebens besuchte er „sein“ Internat regelmäßig, nahm sich Zeit für Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, und unterstützte die Schule ideell wie geistlich. Seine Besuche wurden stets als Ausdruck echter Zugewandtheit erlebt – nicht nur eines Ehemaligen, sondern eines Menschen, dem Bildung und Verantwortung am Herzen lagen und der als bekennender Fußballfan schnell mit den Schülern auf einer Wellenlänge lag.
Auch in späteren Lebensphasen als Generalvikar des Bistums Münster und als Erzbischof von Hamburg blieb er der Gaesdonck eng verbunden.
Das Wappen, das Werner Thissen als Weihbischof wählte, verleiht dieser Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Kleve und seiner alten Schule, durch die Aufnahme des Gaesdoncker und des Klever Wappens Ausdruck. Seinen Wahlspruch „In Christo nova creatura“ („In Christus neue Schöpfung“) aus 2 Kor 5,17 bezeichnete Thissen immer wieder als seine „Lieblingsbibelstelle“. Paulus spreche dort „höchstpersönlich“, die Stelle stehe für Neuanfänge. Auch sein späteres erzbischöfliches Wappen zeigt neben dem Bremer Petrusschlüssel, dem Hamburger Marienstern, dem Mecklenburger Stensenherz und einigen persönliche Insignien, wieder den Schwan für die Stadt Kleve und erneut das Gaesdoncker Tau mit den drei Sternen.
In seiner Amtszeit initiierte er das Pastoralgespräch „Salz im Norden“ und setzte sich für die Sanierung des St. Marien-Doms sowie die Seligsprechung der Lübecker Märtyrer ein
Erzbischof Thissen war bekannt für seinen Einsatz für den Dialog zwischen den Konfessionen und Religionen sowie für sein Engagement gegen Rechtsextremismus. In einem Gespräch mit Schülern anlässlich seines 60-jährigen Abiturjubiläums machte Thissen auch einige seiner theologischen Positionen deutlich. Zur Weiterentwicklung der Kirche erklärte er, dass es besonders in Deutschland beim Pflichtzölibat oder beim Priestertum die Möglichkeit für spezielle Regelungen geben könne.
Dennoch gehörten auch schwierige Kapitel zu seinem Leben. Thissen äußerte sich Ende 2019 zu den Missbrauchsskandalen in der deutschen katholischen Kirche und räumte rückblickend auch für seine eigene Zeit als Generalvikar schwere Fehler im Umgang mit den damals Betroffenen ein. Er sprach von einem „blinden Fleck“ und bat um Entschuldigung. Diese späte Selbstkritik wurde von vielen als Zeichen ehrlicher Einsicht, Reue und persönlicher Integrität gewürdigt.
Dr. Werner Thissen war ein Seelsorger mit Haltung, ein Brückenbauer zwischen Tradition und Moderne – und ein Gaesdoncker, der seiner Schule in Dankbarkeit und Verantwortung verbunden blieb.
Die Gaesdonck trauert um einen großen ehemaligen Schüler. Sein Andenken wird in ehrendem Gedenken weiterleben.
Möge er in Frieden ruhen.